Montag, 27. Oktober 2014

Selfies in Kunst und Alltag



Selfies in Kunst und Alltag

In der Geschichte der Menschheit war die Erzeugung eines Bildes eine dem täglichen Leben enthobene Kunstform. Seine Produktion war mit hohem körperlichen Aufwand und geistiger Anstrengung verbunden. Die Erfindung der Fotografie vermochte daran zunächst nicht viel zu ändern. Zwar waren Bilder nun einfacher zu produzieren, doch auch die Fotografie blieb ein bewusster Akt der Bilderzeugung. Er bedurfte teurer Geräte und Geschick im Umgang mit diesen Apparaten. Mit der Verbreitung von Kamerahandys und der zunehmenden Vernetzung breiter Bevölkerungsschichten, stieg die Frequenz der Herstellung und der Verbreitung von Bildern sprunghaft an. Vor allem das Selbstporträt hat seinen Eingang in den Alltag gefunden. 


Das Selfie ist längst zum Trend avanciert. Berühmte Personen aus der Unterhaltungsbranche tragen zu dieser Tendenz bei, wenn sie ihre Selbstbildnisse im Internet posten. Auch vor dem Papst und dem US-Amerikanischen Präsidenten Barack Obama macht das Phänomen nicht halt. Längst werden kritische Stimmen laut. Das Selfie wird zum Synonym einer narzisstischen Medienkultur, die Unmengen von Schnappschüssen unselektiert und unreflektiert verbreitet. Die Kritik wird besonders scharf, wenn diese Bilder auf bekannte Kunstwerke treffen. In diesem Monat wurde der Louvre in Paris für eine Privatführung der Stars Beyoncé Knowles, Jay-Z und der gemeinsamen Tochter Blue Ivy geschlossen. Die dabei geschossenen Selfies lösten einen Sturm der Entrüstung aus. Weltberühmte Kunstwerke würden, so die Kritik, durch diese Selbstinszenierungen zu zweitrangigen Hintergrundbildern degradiert. 

Doch die Verbindung von Kunst Selfie hat auch Fürsprecher. Dem Projekt myRembrandt wurde in diesem Zusammenhang besonders viel Beachtung geschenkt. Mit der Sanierung der Alten Pinakothek in München ging eine Teilschließung einher, die eine Einlagerung von Rembrandts „Jugendliches Selbstbildnis“ aus dem Jahr 1629 zur Folge hatte. Zu dieser Gelegenheit richtete das Museum den Aufruf an Fans und Follower, Rembrandt mit auf Reisen zu nehmen und ihm die eigene Welt zu zeigen. Dieser Apell stieß auf rege Resonanz. Die sieben zu diesem Zweck angefertigten Reproduktionen gingen um den Globus und darüber hinaus. Mit Hilfe des DLR (Deutsches Forschungszentrums für Luft- und Raumfahrt) und der NASA (National Aeronautics and Space Administration) erreichte eine dieser Kopien Alexander Gerst, auf der ISS (International Space Station). Das Selbstportrait des Künstlers wurde auch in ein digitales Signal verwandelt und von der DLR-Bodenstation in Weilheim ins All übertragen. Diese digitale Replik wird seine Reise, noch lange nach dem Ende des Projekts am 4.Oktober 2014, in den Tiefen des Raums fortsetzen. 

Die im Zusammenhang mit dem Projekt entstandenen Selfies mit dem Selbstbildnis Rembrandts verbreiteten sich rasch über soziale Netzwerke. MyRembrand wurde auf der Frankfurter Buchmesse mit dem Virenschleuderpreis 2014 in der Kategorie Idee ausgezeichnet.


3 Kommentare:

  1. Vorsicht vor lausigen Selfies in russischen Museen:
    http://www.stern.de/panorama/selfies-russland-warnt-wegen-laeusen-vor-selbstportraets-2148412.html
    Erste Reaktionen:
    http://www.spiegel.de/spam/satire-bei-spiegel-online-spam-tipps-gegen-kopflaeuse-durch-selfies-a-999653.html

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  2. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  3. Schöner zusammenfassender Artikel; seit längerem beschäftige ich mich mit einer besonderen Art von Selfies, nämlich den Selfies im Museum. Auf dem kommenden kunsthistorischen Studierendenkongress in Heidelberg findet dazu ein Workshop mit anschließender Diskussion statt. Hier gibt es das Programm des KSK Heidelberg
    Vormerken dürfen alle MünchnerInnen sich auch schon einmal den 20. Dezember, kommt vorbei im Eisfrei!

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